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Der Entstehungsmythos

der Magie und der Anderswesen
Kategorie: Geschöpfe der Legenden

Man sagt, in jener Nacht, in der die Welt entstand, vereinte sich das Chaos mit den Elementen; die Sterne fielen aus dem Himmel und an den Orten, an denen sie die Dunkelheit zerschlugen, erbebte der Boden und sie rissen Vortexe in das Fleisch der Erde. Aus diesen wirbelnden Spiralen wuchsen Linien wie Adern: pulsierende Wurzeln aus Licht, die sich tief durch Gestein und Erz gruben. So sickerte die Magie selbst in jede Faser dieser Welt, geboren aus dem Kuss von Feuer und Wasser und dem Tanz von Erde und Luft.

Über Äonen hinweg synergierten die Kräfte der Erde mit den Bahnen von Planeten und Sternen, schufen neue Flüsse der Kraft und vereinten sich zu Zentren reiner Magie. Die Erde war durchzogen von einem atmenden Netz aus Energie, doch kein Lebewesen vermochte sie zu nutzen – kein Mensch, kein Tier und keine Pflanze; niemand vernahm das Wispern der Magie. An den Knotenpunkten dieses Netzes stauten sich die Ströme, bis sie in einem Augenblick übersprudelnder Macht miteinander verschmolzen. Die Energie implodierte, kreierte einen Kessel der Schöpfung und aus dieser wirbelnden Wiege der Kraft heraus emanierten die Urhexen – geboren aus dem Vortex, um das Chaos zu bändigen und den Quell aller Magie mit ihrem Blut zu hüten.
Sie gleichen den Menschen an Gestalt, doch in den Adern der Hexen fließt die Erinnerung an Erde, Sterne und Energie. Ihre Existenz allein verpflichtet sie, den Ethos der Magie zu wahren. Denn diese ist lebendig; ein atmender, nie versiegender Strom, der seine Domänen selbst behütet. Und von jenen, die das Widernatürliche wagen, verlangt sie einen Preis, höher als das eigene Blut.

Die Legenden besagen, dass in derselben Nacht, in der die Sterne vom Himmel fielen, ein weiterer Samen gesät wurde. Nicht aus der Umarmung des Chaos, sondern aus seinem Widerhall. Nicht jeder Funke wurde zu Magie, manche verglühten in der Nachtluft und andere sanken in die Erde hinab. Dorthin, wo kein Atem mehr ertönte. Es blieb zurück, was die Sterne verloren hatten: ein kalter Schatten, getränkt von Durst, Tod und Dunkelheit. Es entstand ein Sehnen nach dem, was in den Adern der Hexen strömte: das Blut der Schöpfung. Und so entwickelten sich die Vampire. Nicht geboren, sondern geformt – wie eine Spiegelung in zerbrochenem Glas. 

Sie sind nicht die Hüter der Schöpfung, sondern ihr Untergang; nicht das pulsierende Leben, sondern der Stillstand. Tot und doch seltsam lebendig, getrieben von einer inneren Sehnsucht nach Blut. Ihr Dürsten nach dem Lebenspfad wurde ihr Schicksal und zugleich ihr Fluch: nicht Hüter des Göttlichen, sondern ihr Räuber. Und so begann ein uralter Zwiespalt, geboren in derselben Nacht. Auf der einen Seite die Hüter des Lebens und der Natur und auf der anderen Seite die Erben des Abgrundes; nichts zu geben, nur zu nehmen.

Wie zwei Seiten einer Medaille unterwandern nun Vampire und Hexen die Menschheit. Doch vor so vielen menschlichen Generationen, dass niemand die Zeit noch genau bestimmen kann, war es eine rachsüchtige Hexe, die jenen einen dunklen Maledictus aussprach – einen Fluch, der den Menschen in eine wilde Bestie verwandelte. Es begann im Herzen Europas, wo der Rauch der Feuer den Himmel schwarz zu färben drohte. In diesen Tagen, in denen das Volk angstgeplagt die Hexen jagte, wurde dieser Fluch in Worte gefasst. Eine Strafe für die Peiniger, die das Geschenk, das die Hexen darstellten, nicht zu schätzen wussten. Mit dem eigenen Blut, der Asche ihrer Ahnen und der Kraft des Vollmondes ließ sie ihren Maledictus lebendig werden. Fortan sollten die Menschen Monat für Monat daran erinnert werden, was sie getan haben. Zwischen dem Heulen der Nacht, den Schmerzen reißender Sehnen und den Erinnerungsfetzen eines wilden Tieres. Den Preis, den sie für diese widernatürliche Erschaffung entrichten musste, war jedoch hoch: der Tod ihrer gesamten Blutlinie, sowie die eigene Vernichtung.

Wenn der volle Mond am Himmel steht, beginnen nun fortan die Knochen zu brechen, die Haut wird von einem stoppeligen Fell überzogen, und der Geist des Menschen zieht sich in die hinterste, verborgenste Ecke seines Bewusstseins zurück. An seine Stelle tritt der Werwolf. Die niederen Instinkte des Tieres übernehmen und machen die menschlichen Kategorien von Freund und Feind nichtig. Es wird gejagt, was sich bewegt und gut riecht. Es wird gefressen, was schmeckt. Die Rache der Hexen – die am Ende nicht nur eine Strafe für den Menschen und seine Nachkommen dargestellt hat, die seit jener verhängnisvollen Nacht ihre Abgründe bei Vollmond entblößen und an das unbarmherzige Gesetz der Wildnis gebunden sind – steht in starkem Kontrast zum Geschenk der Hexen.

Athraitheoirí, die Gestaltwandler, sind jene Wesen, die ebenso durch die Hexen und ihre Magie erschaffen wurden. Ein Zauber, durchdrungen von der Weisheit und dem Ethos der Magie, vermochte es, auserwählte Menschen in Tiergestalten der heimischen Gefilde zu verwandeln. So sollten sie lernen, die Natur, ihre Kreisläufe und das Gleichgewicht zu achten und zu bewahren.
Die Magie selbst segnete diesen Zauber. Sie verlangte von den Hexen keinen Tribut, kein Opfer von Leben oder Leib – nur das Versprechen um die ehrliche Wahrung der Natur und ihrer Gesetze … und Blut, um den Zauber zu besiegeln. Die Menschen, die diesem Pfad fortan folgten, fanden in der Verwandlung nicht Fluch, sondern Verantwortung; nicht Verlust, sondern die Möglichkeit, in Einklang mit den Kräften der Welt zu treten.

So stehen alle Anderswesen in dieser menschlichen Welt nebeneinander: die Hexen, die Hüterinnen der lebendigen Magie und der Natur; die Vampire, Schattengeborene, deren Hunger niemals gestillt werden kann; die Werwölfe, Kinder des Zorns, gebunden an den Mond und die Wut des Fluchs; und die Athraitheoirí, die Gestaltwandler, die das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wahren sollen.

Und dazwischen die Menschen – wissend oder unwissend, Jäger:innen oder Gejagte, Gefährten oder Opfer –, die in ihrer oft so kurzen Lebensspanne kaum begreifen, welch uralte Kräfte in den Adern der Welt fließen. Jede Nacht, jeder Atemzug und jeder Tropfen Blut trägt die Erinnerung an diesen kosmischen Ursprung in sich und niemand entkommt dem Erbe jener Nacht, in der die Sterne fielen.





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